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alles liebe nachträglich
alles liebe nachträglich

Fatoni&Mine – Alle Liebe nachträglich

21. Februar 2024
von Paula Zumbroich

Man könnte es als Ode an die Zweisamkeit beschreiben – nur halt an all die Momente von Zweisamkeit, in denen Liebe, Lust und Leidenschaft an ihre Grenzen stoßen. In ihrem  Konzeptalbum Alle Liebe nachträglich von 2017 widmen sich Mine und Fatoni den zwischenmenschlichen Krisen und Problemen die auftreten, wenn die Flitterwochenphase vorbei ist, die rosarote Brille leicht verrutscht auf der Nase sitzt, die Schminke verwischt und die vergessene Milch oder das fehlende Salz im Essen nicht mehr als süße Vergesslichkeit gesehen werden. Zwei sehr unterschiedliche Künstler:innen schaffen hier gemeinsam ein großartiges Album über Gefühle und Situationen, die die meisten von uns wahrscheinlich schon einmal erlebt haben.

Die Mischung machts – Musikalische Vielfalt:

Sowohl Mine als auch Fatoni spielen in ihrer Musik viel mit verschiedenen Sounds, Genres und Klängen. Mine selbst bezeichnet ihre Musik als deutschsprachigen Folk mit Hip Hop, Jazz und elektronischen Elementen und auch Fatoni will sich mit seinen Liedern nicht auf ein Genre beschränken, sondern schreibt lieber Texte und Songs, die sich inhaltlich sowie musikalisch auch mal widersprechen können. Auch in Alle Liebe nachträglich verbinden die beiden Künstler:innen sehr unterschiedliche musikalische Ansätze. Der aus dem Deutschrap kommende Fatoni überzeugt mal wieder mit ehrlichen Texten, klaren Bildern und Wortakrobatik, wie wir sie bereits aus Alben wie Im Modus und Yo Picasso kennen. Die studierte Jazzmusikerin Mine bringt dazu den Gegenpol. In ihrem meist melodischen Gesang, spiegeln sich Resignation, Distanz, Gleichgültigkeit und Verzweiflung wider. Textlich schaffen die beiden es allerdings auf einer Wellenlänge zu bleiben und mit Wortgewandtheit und Metaphern, Gefühle und Emotionen gezielt und ehrlich auszudrücken.

Mehr als nur Hintergrundgedudel:

Auch bei der Instrumentierung verbinden Mine und Fatoni musikalische Elemente aus verschiedenen Genres. Melancholische Streicheinlagen wechseln sich mit kühlen Elektrobeats ab und reihen sich damit in die, auf den ersten Blick ein wenig unvereinbar wirkende, musikalische Konstruktion des Albums ein. Beim näherem Hinhören wird aber klar, dass genau diese Vielseitigkeit die Ehrlichkeit und den Charme des Albums ausmacht. Der Song Alle Liebe nachträglich beginnt zum Beispiel mit einem eher minimalistischen Elektrobeat, der sich durch das gesamte Lied zieht. Während der Fokus eigentlich auf dem Text liegt, steigert sich die Dramatik am Ende allerdings noch einmal, indem ein Instrumental von Streichinstrumenten das Lied zu einem Abschluss bringt, bei dem das Instrumental vielleicht sogar noch mehr sagen kann als die Lyrics. Bei dem Song Schminke wird der Gesang untermalt durch Chor-vocals, die die Melancholie des Liedes schön unterstreichen. Trotzdem findet man auch hier im Instrumental immer wieder elektronische Elemente.

Ehrliche Gefühle, Witz und Melancholie:

Songs wie Mehr, Traummann oder Erdbeeren ohne Grenzen sprechen ungeschminkt von dem Wunsch nach Neuerem, Besserem, Schnellerem, welcher vor allem in den momentanen Zeiten von Kurzweiligkeit und Konsum stets aktuell bleibt: Vielleicht schmeckts beim Andern immer besser als bei dir, besser, wenn ich das einmal probier. Doch auch für die Verzweiflung eines gebrochenen Herzens, ein verloren gegangenes Fundament und die Trauer um längst vergangene Gefühle und verpasste Chancen finden Mine und Fatoni teilweise mit Hilfe von Features wie Danger Dan oder Tristan Busch genau die richtigen Worte. Und selbst das als permanent geltende Tattoo bleibt vor Mine und Fatoni nicht sicher. Stück für Stück behandeln die beiden Liebesbanalitäten, Krisen, Abschiede und Neuanfänge und decken verrückte Verhaltensmuster und tiefste Gefühle auf. Es ist ein Album, in dem man versinken kann, das aber gleichzeitig auch zum Nachdenken, schmunzeln und mitsingen einlädt. Für alle Liebhaber:innen von Ehrlichkeit, Melancholie, Witz und Wortgewandtheit kann es zum absolutes Hitalbum werden. Viel besser, als sich immer nur mit den langweiligen Plattitüden aus der neusten Romcom abzugeben.

 

Foto: Mine&Fatoni/Caroline International