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Coldplay_X&Y
Coldplay_X&Y

Coldplay – X&Y

25. August 2022
von Ben Zimmermann

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Who are you? Das ist vielleicht eine passende Frage an dieses Coldplay-Album. Auf den ersten Blick machen alle Coldplay-Cover einen ziemlich abstrakten Eindruck, der den Betrachtenden mit der Frage zurücklässt: „Was…?“. Die Frage, die Parachutes bei mir mit einem drehenden Globus auslöst, und A Rush Of Blood To The Head mit seinen abgeschnittenen Gesichtern, erreicht X&Y schon mit farbigen Kacheln.

 

Doch wie bei allen Alben ist hier mehr zu finden, als auf den ersten Blick wahrzunehmen ist – das als Anspielung auch auf den Inhalt. Gräbt man ein wenig nach dem Design und dem Designer, kommt man schnell hinter die kryptischen Farbflächen des Covers. Bei den Kacheln handelt es um einen längst vergessenen Code, der als Vorfahre der 8-, 16-, 32- und 64-Bits lange in den Tiefen der Geschichte versunken ist. Der Baudot-Code stellte den ersten, erfolgreichen Maschinencode aus 5-Bits dar, der bis weit in das 20.Jahrundert für die Kommunikation zwischen Fernschreibern Verwendung fand.

 

Das Cover dekodiert sich also als: X; Umschaltzeichen; Y/&.

 

Musikalisch gesehen ist dies vielleicht ein Hinweis auf den stärkeren technischen Fokus. Das Album ist deutlich elektronischer als Parachutes und A Rush Of Blood To The Head. Dieses „technische“ lässt sich vom Stil her als eine Anlehnung an die Band Kraftwerk interpretieren.

Für diese Parallele spricht vielleicht am besten der Song Talk. Nicht nur gibt es hier den technischen Stil des Band Kraftwerk mit Effekten und einer Reihe an Sequencern und Synthesizern, sondern es taucht im Lied auch die zentrale Hook aus dem Song Computerliebe auf. Man könnte also sagen, dass Talk ein wenig ein Cover vom Computerliebe ist.

Diese Assoziation schwingt jedoch nur leicht mit – eine ähnliche Empfindung lässt sich auch aus den Genres von Brit-Pop und entfernt David Bowie heraushören.

 

Gegen diese leichten Parallelen ist in diesem Album nun der „bekannte“ Coldplay-Stil – im Vergleich zu früheren Alben – deutlich ausgeformt.

Nach anderthalb Jahren Produktionszeit, die die Band in acht unterschiedlichen Studios verbracht hat, wird das Album am 3. Juni 2005 veröffentlicht und verkauft sich über die Jahre 9,5 Millionen Mal weltweit. Das Album enthält dreizehn Titel und umfasst eine Laufzeit von knapp 63 Minuten.

 

Die dreizehn Songs drehen sich im Kern um zentrale Achsen, die immer wieder auf andere Songs des Albums verweisen. Es werden Themen um Beziehung, Fehlerkultur, Angst um Fehler, Mut zu Fehlern, Suche nach Bedeutung und Anschluss bzw. Halt verhandelt.

Halt spielt besonders im Opener Square one eine zentrale Rolle; besonders ein Erhalt von Differenzierung von Emotion. „(…) all your colores are bleeding into one (…)“.

 

Für diejenigen, die mit der Farbenlehre nicht so vertraut sind hier eine kurze Erklärung: Wenn alle Farben zusammengemischt werden, ergibt das Schwarz. Das Emotionale „Schwarz“, was in dem Song behandelt wird, spielt auf das Thema der Depression an, was in allen Alben der Band präsent ist.

Das gesamte Album kommt allerdings nicht so schwer daher, wie es aus den vorherigen Zeilen hervorgehen mag.

 

Fix you verbindet die Atmosphäre des Textes mit einem Versprechen an die Hörer und bindet dies in die Hauptthemenstruktur des Albums ein.

 

Eine Interpretation des Textes und der Musik überlasse ich an dieser Stelle euch; da ich hier keine pauschalen Aussagen treffen möchte, die dem Song einfach nicht gerecht werden.

Am Ende handelt es sich hier eben wieder um Kunst, für die jeder eine eigene Meinung bilden muss.

 

Wenn ihr das Album also einmal anhören wollt, kann ich euch diesen Hörtipp mitgeben:   Square One und What if. Danach „Á la Card“.

 

Also Who are you?

Für das Album lässt sich diese Farage nicht klar beantworten. Ein Teil der Antwort ist vielleicht der Stil des Albums und die finale Stilform der Band.

Am Ende muss es jeder für sich beschließen.

So – Who the hell are you?

 

Foto: Coldplay/Parlophone