Musik | Hörtest

Coldplay_Parachutes
Coldplay_Parachutes

Coldplay – Parachutes

22. Juli 2022
von Ben Zimmermann

Dieser Hörtest ist vielleicht einige Tage zu spät. Hätte ich mich an das Datum der
Erstveröffentlichung am 10.07 erinnert, hätte das Coldplay-Album Parachutes seinen Hörtest zum
22. Jubiläum pünktlich bekommen.
Diese kleine Verspätung lenkt allerdings nicht davon ab, dass dieses Album vielleicht besser denn je
in unsere Zeit passt. Wenn man den ersten und letzten Song back to back hört, ergibt sich eine
beruhigende Aussage: „Don‘t panic – everything‘s not lost“ also doch ein passendes Album für
diese Tage – oder? Liest man alle Songtitel hintereinander weg, so drängt sich der Gedanke eines
Flugzeugabsturzes auf, den allerdings alle Passagiere überleben: Don‘t Panic; Shiver, Spies;
Sparks; Yellow; Trouble; Parachutes; High Speed; We Never Change und Everything‘s Not Lost.
Die Wortkette könnte eben so gut auch auf einen Agentenfilm aus den Tagen des kalten Krieges
zutreffen, in dem Spione und dunkle Mächte sich um den Globus herum eine irre Verfolgungsjagd
leisten, um den nuklearen Winter doch noch zu verhindern. Dazu würde auch das Cover des Albums
passen – ein sich drehender Globus auf schwarzem Grund, oder finden sich hier doch versteckte
Hinweise auf D. B. Cooper? Ich komme vom Weg ab.

Die zehn Songs rufen beim Hören unterschiedliche Emotionen hervor. Auf der einen Seite sind die
Song eher in einem langsameren Tempo gehalten, was die Atmosphäre etwas dunkel, respektive „moody“
stimmt. Über die Hörzeit von knapp zweiundvierzig Minuten vertieft sich dieser Eindruck durch das
Gegenspiel von Text und Musik: die Texte sind fröhlich gestimmt und bekommen Tiefe durch die
lebendige und kontrastreiche Stimme des Leadsingers Chris Martin. Die Musik und das Tempo
schaffen gegen die Texte jedoch die dunkele Atmosphäre; so reichen die Songs in unvergleichlicher
Coldplay-Manier von Slow-Rock bis zu Brit-Pop.
Würde man mich fragen, welche zwei Songs ich von dieser Platte als Tipp geben würde, so müsste
ich etwas länger überlegen. Das Album insgesamt ist ein Favorit, doch zwei Songs wären: Don‘t
Panic und Everything‘s Not Lost.
Don‘t Panic erzählt von einer wunderschönen Welt in der wir leben, und dass wir diese immer
wieder finden müssen, auch wenn sie von Zeit zu Zeit unauffindbar erscheint. Für mich ist der Song
eine Hommage an die verborgene Schönheit dieser Welt und ein Versprechen an die Verbundenheit
Aller in dieser. Auch wenn der Soundtrack „moody“ daherkommt, ist der Text doch wunderschön –
Don‘t Panic also als Beispiel für das Gegenspiel von Text und Musik.
An zweiter Stelle steht in diesem Album steht für mich Everything‘s Not Lost.
Da wäre zu Beginn der Titel Everything‘s Not Lost. Es ist also nicht alles verloren! Der Song stellt
seinem Hörer immer die Frage: Was sind deine inneren Dämonen und wie gehst du mit ihnen um?
Ach hier wieder das Gegenspiel von Text und Musik. Die Musik eher ruhig, der Text aber
verheißungsvoll, aus meiner Sicht wieder ein Versprechen an die Zukunft, aber auch eine
Aufforderung zur Selbstreflexion. Was sind deine inneren Dämonen?
Bei der Veröffentlichung hatte die Band ihre Dämonen überwunden, was sich in der allgemeinen
Kritik widerspiegelte.
Nach der Veröffentlichung nahm die Kritik und Charts das Album positiv auf, wodurch die
Meinungen von einem „Erfolg“ bis hin zu einem „Meisterwerk“ und „Meilenstein der 2000er“
reichen. Die Kritik stimmte in dem Punkt überein, dass die Band mit dem Album gute Stimmung
und ehrliche Emotionen verarbeiten würde, was der Guardian als „one of the year‘s most uplifting
albums“ beschrieb. In Europa und Amerika schaffte es das Album in den Charts in eine
Mittelfeldplatzierung und hielt sich hier über das Jahr hinweg stetig.
Was jedoch bei der Kritik deutlich in den Vordergrund tritt ist die Feststellung, dass die Band in
diesem Album immer noch ihre Fähigkeit und „inner workings“ bzw. die Harmonien auslotet.
Insgesamt wird der Band eine gute Zukunft vorhergesagt, keine Kritiken zerreißen das Album in der
Luft und nur wenige preisen es als den Meilenstein einer Karriere, die bereits ihren Zenit
überstiegen hat.
Den Erfolg des Albums vertieft die Band mit einer Tour durch UK, Japan und Singapur, wobei die
Band als Supporting Act auftrat und eher kleinere Veranstaltungen bespielte.

Die junge Band sollte sich in den folge Jahren mit weiteren Alben ihren Platz in der Bandgeschichte
noch sichern. Nach Parachutes produzierte und veröffentliche die Band 2002 A Rush of Blood to
the Head, Viva la Vida or Death and All His Friends und viele weitere Alben.
Das neuste Album Music of the Spheres brachte die Band im Oktober 2021 heraus.
Wer sich also noch einmal in die Anfangstage der Band zurückversetzen möchte und vielleicht
schon ein Fan von Coldplay ist, für den ist Parachutes ein Muss.

 

Foto: Coldplay/Parlophone