Musik | Hörtest

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Billy Joel – Turnstiles

24. Januar 2022
von Ina Wagner

New York 1976. Nostalgisch. 

Der Sound einer orange-grün-braun gefärbten Welt, die wir uns heute ersehnen: so klingt Turnstiles von Billy Joel.

Das Album klingt nach Veränderung: Say Goodbye to Hollywood, das erste Lied auf der Platte, vermittelt schon das Gefühl, dass man gerade in einem Greyhound-Bus sitzt und einen neuen Lebensabschnitt beginnt.

Dieses Gefühl zieht sich auch durch das gesamte Album.

Der damals 27-jährige Sänger produzierte Turnstiles in New York nachdem er eine längere Zeit in Kalifornien gelebt hat.

„It‘s either sadness or euphoria.“

Summer, Highland Falls klingt nach der Nostalgie des Erwachsenwerdens.

Und auch All You Wanna Do is Dance erinnert an eine amerikanische High School Prom und hat zu Anfang einen leichten Beatles-Vibe, ist jedoch etwas länger als es sein müsste.

New York State of Mind hört sich schon in den ersten Takten an, wie das Lied, das in einem nostalgischen Film aus den 70ern oder 80ern dialoglose Szenen mit melancholischen Beigeschmack begleitet.

„It comes down to reality, and it‘s fine with me ‘cause I‘ve let it slide.“

In einem New York State of Mind kann man sich auch heutzutage schnell befinden und sich einfach fühlen als würde die reale Welt weiter laufen, während man selbst noch irgendwo in Details festhängt und diese erst entwirren muss, bevor man das Schritttempo der Welt wieder erreichen kann.

Und vielleicht ist das Album gerade deshalb auch so ein Klassiker.

„James do you like your life?“

Das fragt Billy Joel in James. Das Lied richtet sich textlich an einen Kindheitsfreund, der die Erwartungen Aller erfüllt und studiert hat. Es ist ein Lied von einem jungen Mann, der einen alten Freund fragt ob dieser okay ist. Und ob es ihm gut geht mit der Entscheidung, die von der Familie erhofften Ziele zu erreichen.

Es ist aber auch ein Lied, das sich an junge Menschen richtet und sie fragt: Geht es dir gut mit deinen Entscheidungen? Magst du dein Leben? Und endet damit zu sagen: Mach was gut für dich ist, oder du bist für niemanden gut.

Prelude/Angry Young Man setzt sich aus einer musikalischen Einleitung und dem leicht aggressiv anmutenden Lied Angry Young Man zusammen und beschreibt den stereotypen jungen Mann, der wütend ist, dass sich in der Welt nichts tut:

„Give a moment or two to the angry young man, with his foot in his mouth and his heart in his hand.“

Ruft dazu auf, den jungen Menschen Aufmerksamkeit zu schenken, da ihre Wut berechtigt und sogar wichtig ist um die Welt zum besseren zu verändern. Joel selbst bemerkt in dem Lied, er sei schon zu alt für diese berechtigte Wut und hat mittlerweile realisiert, dass es schon genug des Kampfes ist einfach nur zu leben und zu überleben. Das Leben ginge sowieso weiter, ohne, dass es von Wichtigkeit wäre, wer Recht hatte und wer falsch lag.

Der wütende und kritische Rhythmus von Angry Young Man wird abgelöst vom deutlich ruhigeren I‘ve Loved These Days, dass auch schon ankündigt, sich seine Zeit zu lassen. Hier kommt auch wieder das Gefühl des langsam Erwachsenwerdens rüber, welches nicht nur von langen ruhigen Nächten spricht, sondern sich auch nach diesen anhört.

„We‘re sleeping long and far too late and so it‘s time to change our ways, but I‘ve loved these days“

So kündigt das Lied an, dass es Zeit ist, nicht mehr nur im Moment zu leben, sondern auch die Zukunft im Auge zu behalten, eben weil das Leben einfach immer weiter geht und auf niemanden wartet.

Das letzte Lied auf Turnstiles hat eine ganz andere Struktur:

„I‘ve seen the lights go out on Broadway“

Das sagt Miami 2017 in einer Einleitung in eine dystopische Zukunftsaussicht, die zwar so nicht geschehen ist, aber noch immer nicht unwahrscheinlich genug klingt.

Allgemein klingt Turnstiles zwar sehnsüchtig nostalgisch, ist aber so zeitlos geschrieben, dass man es vielleicht heutzutage sogar noch besser als nostalgischen Soundtrack für Zugfahrten an verregneten Tagen hören kann, als in den 1970ern.

 

Bild: Billy Joel / Columbia Records