Musik | Hörtest

Hörtests des Jahres – Woche 3

10. Dezember 2018
von Musikredaktion

BROCKHAMPTON – iridescence

Knapp eine Stunde fahre ich jeden Morgen zur Uni – 48 Minuten und 49 Sekunden davon verbringe ich seit September nahezu täglich mit BROCKHAMPTONs iridescence. Die restlichen 10 Minuten gehen meistens dafür drauf, meine Lieblingstracks zu wiederholen. Dabei sitze ich dann ruhig in der Bahn und gucke aus dem Fenster, vor meinem inneren Auge tanze ich währenddessen aber schreiend zwischen müden Studierenden umher und brülle „WHERE THE CASH AT?“, und gehe unter im hypnotisierten Moshpit zum ohrenbetäubenden industrial-style Beat von Tracks wie BERLIN, VIVID oder NEW ORLEANS. Aber nicht zu selten klingen diese Beats gerade noch aus, da werde ich zurückgerissen in die Landschaft, die vor dem Fenster an mir vorbeizieht. Wenn Streichorchester, Flügel und Gospelchöre auf Stücken wie TONYA und SAN MARCOS durch die Kopfhörer schallen, drücke ich zweimal auf die „leiser“ Taste und höre zu was die Künstler über ihre persönlichsten Sorgen erzählen. Diese Ambivalenz von roher akustischer und emotionaler Energie macht iridescence für mich zu einem Album, das in jeder Situation unglaublich positive Stimmung verbreitet und gleichzeitig zum Nachdenken anregt, weshalb es mein Hörtest des Jahres ist.

Theo Hermann

 

Yung Hurn – 1220

Nach der Love Hotel EP aus 2017 waren die Erwartungen an das Debütalbum des jungen Wieners verdammt hoch. Zu Anfang konnte ich nicht einmal richtig sagen, ob er sie in meinen Augen erfüllt hat oder nicht. Verträumtes Liebesgesäusel, repetitive Phrasen, lustlose Artikulation, Drogenkonsum, Oralverkehr und pikfeine, fette Beats ergaben aber letztendlich ein Album, das Hurns bisheriges Schaffen kaum besser hätte zusammenfassen können. Meine Begeisterung stieg von Durchlauf zu Durchlauf ins schier unermessliche und so gab es zurückblickend auf 1220 kaum eine Zeile, die ich nicht schonmal tagelang gedankenversunken vor mich hingemurmelt habe. GGGut gemacht, Yung Hurn.

Robert Frambach

 

Feine Sahne Fischfilet – Sturm und Dreck

Als Feine Sahne Fischfilet im Januar ihr Album Sturm und Dreck veröffentlichten, war ich anfangs eher enttäuscht, denn wer sich hier dreckigen deutschen Punkrock erhofft, wartet größtenteils vergebens. Einschlägige Melodien und Refrains, die schnell mitgegrölt werden können, alles etwas langsamer. Dass Sturm und Dreck bei mir trotzdem immer wieder läuft, liegt viel mehr an der lyrischen Ebene, die das Album aufgreift. Nicht das Texte über Pöbelei und Politik im Punk was Neues wären, aber dass mich Lieder über Heimat und Freundschaft mal mitreißen, hätte ich vorher nicht gedacht. Dabei sind FSF emotional, aktuell und laut, ohne sich in sinnlosem Geschrei zu verlieren. Sturm und Dreck bleibt für mich eines der gelungensten deutschen Alben 2018.

Yannik Hoffmeyer

 

Rhye – Blood

Denke ich an Rhyes zweites Album Blood, so ist es auch immer eine Rückerinnerung an den vergangenen Sommer. Mit meinen Gedanken bei der Bachelorarbeit, zwischen den Bücherregalen meiner Institutsbibliothek, ließen mich Mike Miloshs Songs über all die Facetten der Liebe nicht mehr los. Diese Sinnlichkeit, die sich über das Gehör legt wenn seine zarte Stimme einsetzt und im Zusammenspiel mit der vielschichtigen Instrumentalisierung aus Streicherklängen, Blasinstrumenten und Klavier eine ganz eigene Dynamik entwickeln. Ein Wechselspiel aus Anspannung und Anziehungskraft, das so sonst nur an schwülen Sommertagen in der Luft hängt. Zwischen ruhig anmutenden Stücken (Stay Safe) und der wohl schönsten Liebeserklärung (Song for You) finden sich auf Blood besonders Songs, die nach und nach diese Spannung aufbauen und in einer regelrechten Explosion enden (Phoenix, Feel Your Weight). Mit Blood hat Rhye eine klangliche Mischung geschaffen, die den diesjährigen Sommer für mich nicht besser zusammenfassen könnte. 

Isabela Przywara

 

Drangsal – Zores

„Magst du mich oder magst du nur noch dein altes Bild von mir?“ – So singt es Drangsal auf seinem zweiten Album Zores. Diese Frage charakterisiert meine Beziehung zu Drangsal und seiner Musik sehr passend. Das erste Album Harieschaim lief bei mir rauf und runter. Um so freudiger war ich als Album Nummer zwei angekündigt wurde. Nach dem Erscheinen der ersten Single Turmbau zu Babel war die Ernüchterung dann riesengroß. Es klang mir viel zu sehr nach Schlager, nach einer schlechten Nachmache von Farin Urlaub und auch textlich konnte der Song bei mir absolut nicht punkten. Trotzdem wurde die Aufregung auf das ganze Album dadurch nicht gedämpft. „Mag ich dich oder mag ich nur noch mein altes Bild von dir?“ – Genau so fühlte ich mich in Bezug auf Zores. Ich konnte mit dem Album einfach nicht warm werden, hab aber trotzdem nicht aufgehört es zu hören. Immerhin war ich doch eigentlich großer Drangsal-Fan! Ganz still und heimlich, ohne dass ich es richtig bemerkte, fing das Album dann an, mir zu gefallen. Ich summte die Songs mit, hatte tagelange Ohrwürmer und ertappte mich dabei, wie ich den anfangs verhassten Song Turmbau zu Babel leise mitsang. Das Album schlich sich langsam und so eindringlich in mein Herz, dass es zu meinem Lieblingsalbum 2018 geworden ist und ich Drangsals Frage „Magst du mich oder bloß noch dein altes Bild von mir?“ heute problemlos zu beantworten weiß.

Samira Hrach

 

 

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