Musik

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Hörtest des Jahres: Woche 1

2. Dezember 2019

OG Keemo – Geist

OG Keemo ist das, was Deutschrap schon viel zu lange fehlte. Schon das letzte Album, Skalp, brachte meine Zimmereinrichtung zum Beben. Das neuste Werk des Mannheimer Künstlers Geist, schafft eine Atmosphäre, die den Hörer mit auf eine Reise nimmt, die so schnell nicht vergessen wird. Das liegt nicht nur an der einzigartigen Rethorik, den Reimketten, den unterschiedlichen Flows und Beats, die von jazzig bis harten Trap reichen, sondern auch daran, dass Keemo und sein Beatbauer Funkvater Frank ein perfekt eingespieltes Team sind. Beats, Text, Samples, einfach alles greift ideal ineinander. Und das sowohl bei den Tracks, die einem schon beim Hören die Fresse polieren (Faust oder Geist), als auch bei denen, die Rassismus und Diskrimierung (216), teils aus persönlicher Erfahrung (Nebel), behandeln. Allein der Einstieg und das Ende des Albums bilden ein Bild- und Hörerlebnis, das lange nachwirkt. Geist führt einen durch das Leben Keemos und weiß, wie es Emotionen hervorrufen kann. Wer etwas mit Rap anfangen kann, muss sich OG Keemos und Funkvater Franks neuen Output anhören. Es lohnt sich.

Niklas Valtin

Cigarettes After Sex – Cry

Schwarz, weiß und grau sind die Cover, sind die Bühnenshows und ist eigentlich alles, was man von Cigarettes After Sex zu Gesicht und ins Ohr bekommt. Cry ist da nicht anders als ältere Veröffentlichungen – und ist eigentlich generell nicht anders als die früheren Werke der Band, aber doch irgendwie auch nicht das Gleiche. Nicht bedrückend, zwar melancholisch, sehnsüchtig, aber nicht niedergeschlagen. Cry meint nun nicht mehr Berge von Taschentüchern, nicht Winterdepressionen, sondern Tränen allein der Ästhetik wegen – berührt durch die eindringlichen Synths, die so wundervoll einzigartige Stimme und die ewig hallende Instrumentation, dessen Echo auch nach dem zwanzigsten Hören noch durch den Kopf spukt. Ein tragisch schönes Album, das ich so schnell nicht mehr aus dem Kopf bekomme.

Theo Hermann

Shoreline – Eat My Soul

Falls ihr euch fragt, wohin der Emopunk in den letzten Jahren gegangen ist: Der hat sich nach Münster zurückgezogen und kehrte dieses Jahr in Gestalt von Shoreline wieder zurück. Auf Eat My Soul gewinnt die Band dem Genre zwar nichts Neues ab, setzt dessen Stilmittel aber wahnsinnig stimmig um. Der Gesang hat genau die richtige Menge Pathos inne, ohne peinlich zu sein. Gleichzeitig gehen die Songs ohne Selbstmitleid ordentlich nach vorne, fahren Tempo und Lautstärke aber an genau den richtigen Stellen runter und wieder hoch, um Eintönigkeit vorzubeugen. Was allerdings am meisten im Ohr bleibt, sind die wahnsinnig eingängigen Refrains, die niemals zu gefällig werden. All das ergibt ein Album mit riesiger Hitdichte und Wiederhörwert, das Emopunk, komplett kitschbefreit, 2019 wieder auf die musikalische Landkarte bringt.

Max Afemann

FKA Twigs – Magdalene

Eine Zeile aus Cellophane steht repräsentativ für das zweite Album von FKA Twigs: “All wrapped in cellophane, the feelings that we had”. Und nicht nur Gefühle sind auf Magdalene behutsam in Kunststofffolie gewickelt. Immer wieder verbergen sich unter kleinteiligen Elektrospielereien eben solche zerbrechlichen Momente, die die Songstrukturen spannend und zugänglich machen. Tahliah Debrett Barnett springt von Wut zu Verletzlichkeit und wieder zurück und ummantelt diese Ambivalenzen gekonnt in abstrakte Sounds. Jeder Song ist auf höchstem Niveau interessant und es wirkt, als würde hier eine talentierte Künstlerin die Zukunft der Popmusik im Voraus erahnen. Und wenn ein Album selbst ein einziger Höhepunkt ist, kann auch ich nicht anders, als solche positiven Töne anzustimmen.       

Pierre Rosinsky

Ilgen-Nur – Power Nap

Ilgen-Nur verbringt gerne Zeit im Bett. Selbst ihre Songtexte entstehen größtenteils dort, und so erscheint auch der Titel ihres Debütalbums nicht weiter verwunderlich. Es sind Alltagsmomente, die Ilgen-Nur in unprätentiösen Texten auf Power Nap verewigt hat. Zwischen den Hürden des Erwachsenwerdens in Silver Future, oder Berichten über den letzten Liebeskummer („You break my heart, I break your spine“)  in „You’re A Messmit einem Sleater-Kinney ähnlichem Aufschrei am Ende, schaut die 22-Jährige in TV auch kritisch auf ihre Freizeitgestaltung („Television, MTV/ I spend my day in front of a screen“). Momentaufnahmen aus dem Leben einer Mittzwanzigerin, denen Ilgen-Nur trotz ungeschmückter Wortwahl fast schon etwas lyrisches verleiht. Es ist diese Simplizität, die in Verbindung mit dem für Ilgen-Nur typischen Sound aus kräftigem Bass, treibendem Gitarrensound und viel Melancholie in der Stimme Power Nap zu etwas Besonderem machen. Und manchmal bleibt einem auch nichts Besseres, als sich einfach mal eine Auszeit vom Alltag zu nehmen und einen Power Nap einzulegen. In dem Punkt sind Ilgen-Nur und ich uns einig – wohl deshalb auch ist ihr Debüt mein Album des Jahres.

Isabela Przywara

Reinhören in alle Alben könnt ihr in unserer „Hörtest des Jahres 2019“-Spotify-Playlist:

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